Die Stimme der KMU und der Wirtschaft
Natürlich gibt es immer wieder Themen, die weltbewegend erscheinen. Einige verlustieren sich an die Einstufung von Bundesräten. Andere verfallen der Panik wegen des Klimas. Viel wichtiger sind aber strukturelle Probleme. Diese sind gekommen, um zu bleiben.
Ein strukturelles Problem ist der Fachkräftemangel. Man spricht davon, wenn es zu wenig qualifizierte Leute gibt, die qualifizierte Jobs ausüben können oder wollen. In der Schweiz geht man aktuell davon aus, dass etwa 300’000 Fachkräfte fehlen. Betroffen sind alle Branchen, ob Informatik, Gastronomie oder Pharma und Chemie.
Das sieht man einerseits an der rekordtiefen Arbeitslosenquote. Sie beträgt etwa 1,9 Prozent. Das bedeutet, etwas mehr als 90’000 Personen sind als Arbeitslose registriert. Man beachte: Selbst, wenn alle Arbeitslosen einen Job gefunden haben, braucht das Land immer noch mehr als 200’000 Leute, um Stellen zu belegen.
Andererseits sieht man den Fachkräftemangel auch, wenn man mit offenen Augen durchs Land geht. Überall beklagen sich Unternehmer, wie schwer es ist, an gute Fachkräfte heranzukommen. Entsprechend ist man immer wieder bereit, untrainierte Leute anzustellen. Das merkt der Kunde direkt.
Was kann man dagegen tun?
Viele denken, die Einwanderung sei die Lösung. Das sie eine ist, ist eine klare Sache. Aber man kann nicht darauf vertrauen, dass es so bleibt. Die Schweiz ist nicht das einzige attraktive Land. Und die hiesigen Löhne müssten stark ansteigen, um diese Attraktivität zu halten oder zu erhöhen.
Die wichtigste Quelle aber sind die Leute, die hier sind. Es ist wichtig, sie für die Berufsbildung zu begeistern. Denn in der beruflichen Grundbildung werden Fachkräfte gemacht. Diese entwickeln sich dann im Laufe ihrer Karriere zu unerlässlichen Mitarbeitern und werden sogar zu Experten ihres Fachs. Die Berufsbildung gibt den Leuten den goldenen Boden: Den Unternehmen den goldenen Boden des menschlichen Know-How und den Mitarbeitern den goldenen Boden der persönlichen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeit.
Wie motiviert man Berufsbildung?
Auch hier gibt es keine Patentrezepte. Einiges ist aber hilfreich: Erstens muss man die Berufe für Junge cool machen. Heute sind die Leute von Influencern und Start-Ups begeistert oder geblendet. Das mag gut oder schlecht sein, aber für die Branchen bedeutet dies: Berufsbildung muss sich diesem Markt für Coolness stellen und dort mithalten.
Zweitens muss sich auch gesellschaftlich geschätzt werden. Ein Weg dafür ist, den berufsgebildeten die üblichen Titel «Master» oder «Bachelor» zu geben. Das Absurde ist, dass diese Titel sogar aus der Berufsbildung kommen und von Hochschulen übernommen wurden.
Drittens müssen wir auch jene schätzen, die bereit sind, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Dazu gehören insbesondere die Quereinsteiger und die älteren Arbeitskräfte. Die einen sind bereit, Neues zu lernen. Die anderen wollen ihre Erfahrung zur Verfügung stellen und sie Neuem anzupassen. Heute werden beide eher abschätzig behandelt.
Man kann diese drei Punkte zusammenfassen. Unsere Gesellschaft, Arbeitgeber und andere Arbeitnehmer müssen Fachkräfte schätzen. Wertschätzung gehört zur Lösung des Fachkräftemangels.
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Zur Person:
Henrique Schneider ist Verleger der «Umwelt Zeitung». Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.