Am 15. Oktober war der internationale Tag des Weissen Stockes. An diesem Tag rückte die Herausforderungen von blinden und sehbehinderten Menschen verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Ein wichtiges Hilsmittel für einen selbständigen Alltag ist der weisse Stock. Mit diesem orientieren sich Betroffene, wenn sie unterwegs sind. Besonders im Freien ist der weisse Stock eine grosse Unterstützung. In Kombination mit den weissen Leitlinien, die man z.B. an Bahnhöfen und Haltestellen antrifft, können sich die mehr als 300’000 sehbehinderten und blinden Menschen in der Schweiz besser zurechtfinden.
Janka Reimman, die seit ihrem achten Lebensjahr stark sehbehindert ist, gibt uns Einblicke in ihren Alltag, den sie neben Mann und Hund auch mit ihrem «unschlagbaren Duo» Stock und Leitlinien bewältigt.
…Meinen Weg zur Arbeit – kein Problem, aber einfach ist anders
Mein Weg zur Arbeit dauert gut eine Stunde und ist meistens alles andere als einfach. Um 16 Uhr raus aus der Haustür, mit dem Bus zum Bahnhof Winterthur, mit der S-Bahn zum Zürcher Bahnhof Stadelhofen und dann weiter mit dem Tram Richtung Tiefenbrunnen. Nachdem ich leicht den Berg hinauf gelaufen bin, befindet sich hier, in ruhiger beschaulicher Lage, das Dunkelrestaurant Blindekuh, in dem ich als hochgradig sehbehinderte Service-Angestellte mehrmals die Woche arbeite. Kurz nach 17 Uhr haben wir also meinen Arbeitsplatz erreicht. Diese Strecke, immer genau zu Zürichs Rushhour, ist sowohl für mich als auch für meinen Hund eine riesige Herausforderung. Wir sind jedes Mal heilfroh und immer wieder stolz auf uns, wenn wir unbeschadet den Fuss ins Lokal setzen.
…Meine Wege heute – manchmal knallts auch
Heute begehen ich und Django fast täglich den Bahnhof Winterthur, den Zürcher Bahnhof Stadelhofen oder den Hauptbahnhof Zürich. Hier hat es zum Glück überall ausgebaute Leitliniensysteme. Diese sind Gold wert für meine Orientierung. Bei neuen Baustellen oder wenn der Lärmpegel der Menschenmenge fast unerträglich wird, gerate ich aber immer noch aus der Ruhe. Passanten, die mir «im Wege» stehen, nerven mich manchmal, obwohl ich natürlich weiss, dass sie es nicht absichtlich machen. Lasse ich meinen Hund einmal zu Hause und sind keine Leitlinien vorhanden, kann es durchaus auch vorkommen, dass ich in ein Hindernis hineinknalle – und dies trotz Stock! Erst kürzlich habe ich eine Stange auf der Seite noch gekreuzt und mir dabei an der Schulter höllisch weh getan.
…Meine Wegweiser – Hilfsmittel sind erlaubt
Da mein Sehvermögen leider stets schlechter wird, bin ich bei unbekannten Strecken immer ziemlich unsicher. Wenn irgendwie möglich, laufe ich die Strecke beim ersten Mal mit einer sehenden Person ab. Dabei versuche ich, mir alles zu merken. Manchmal arbeite ich mit der App «Myway», mache mir Merkpunkte, damit ich den Weg dann alleine wieder finden kann. Natürlich sind hierbei auch taktile Leitlinien am Boden zusätzlich sehr nützliche Mobilitätshilfen.
…Meinen Weg dank Leitlinien – Selbständig mobil sein heisst frei sein
Ich denke, der Grossteil der Bevölkerung weiss, was die Leitlinien am Boden sind und wofür sie gebraucht werden. Mir selbst helfen sie vor allem dann sehr, wenn ich ohne Hund unterwegs bin. Denn an wichtigen Punkten wie z.B. Bahnhöfen bin ich sehr froh, anhand der taktilen Linien die Orientierung zu halten. Auch wenn es oft Personen gibt, die auf den Leitlinien stehen und ich sie dann wohl oder übel mit dem Stock wischend «verjage». Unglaublich, aber wahr sind auch Situationen, wo Beizen-Stühle auf den Linien platziert oder Velos, Autos oder Lastwagen voll und ganz darauf parkiert werden. Da merke ich, die Leute müssen immer wieder auf die Bedeutung der Leitlinien hingewiesen werden. Sei dies in Form von Öffentlichkeitsarbeit in der Schule, von den Eltern oder auch den Medien. Erst kürzlich kam mir ein Kind hüpfend auf der Linie entgegen und ist fast in mich hinein gesprungen.
Weitere Informationen unter: www.blind.ch